Kurzgeschichten sollen aufzeigen, was in der Gesellschaft nicht richtig läuft. Wollen kritisieren, verändern, wachrütteln. Worunter leiden andere? In der Unterrichtsreihe Kurzgeschichten haben wir zu Beginn gesammelt, was die SchülerInnen der Klasse 10 an der Gesellschaft zu kritisieren haben. Begriffe wie Egoismus, Vorurteile, Rassismus, Wilderei, Klimawandel, Influencer sind genannt worden. Im Anschluss haben wir vier Kurzgeschichten analysiert und die Gesellschaftskritik herausgearbeitet. Am Ende der Unterrichtsreihe sind fünf beeindruckende Kurzgeschichten von Laura, Bianca, Hasan, Okan und Aaron Elia entstanden, die gern gelesen werden dürfen. Auch diese fünf Geschichten wollen wachrütteln und aufzeigen, was ihnen an der Gesellschaft nicht gefällt.
Von links: Laura, Bianca, Hasan, Okan und Aaron Elia.
Erfundener Unterschied (von Okan)
Die Jungs waren schon auf dem Fußballfeld.
Coller rennt so schnell wie der Blitz und überholt jeden Mann. Coller war ein super Talent. Er will sogar Profi werden, was er auch schaffen wird. Er kommt mit dieser Fähigkeit sehr weit. Jeder verglich ihn sogar mit Usain Bolt. Einer hat sogar gesagt, dass er allgemein so wie er sei. Er warf das vor: „Solche wie du sind doch immer im Fußball erfolgreich, nicht wahr?“
Er versteht nicht, was genau er damit meint.
Das Match beginnt in 20 Minuten. Wir alle sind vorbereitet. Die 20 Minuten vergingen wie 20 Sekunden und es geht los. LOS!
Wir rannten vor. Leon wurde verletzt, weil der eine ihn gehalten hat und er unerwartet gefallen ist. Das Match stoppt. Coller spricht ihn daraufhin an und fragt, was das sein sollte. Daraufhin fragt der gegnerische Spieler: „Habt ihr eigentlich Rechte?“
Jeder schweigt. Der Trainer kam daraufhin zu uns und schrie laut: „Spielt jetzt weiter!“
Wir spielten weiter und am Ende stand es 3:2 für uns.
Coller war nach diesem einen Satz sauer und traurig. „Warum sagt man denn sowas? Ist doch egal, was an ihm anders ist.“, diskutierten die anderen.
Coller atmete und aß wie jeder andere Mensch. Es existierten keinerlei Unterschiede.
Alleine (von Laura)
Ich sitze friedlich auf einer Bank. Plötzlich werde ich von hinten runter geschubst. Voller Wucht lande ich auf dem Asphalt. Der Schmerz, der mir über das Gesicht läuft, ist unerträglich. Warum immer ich? Bevor ich überhaupt realisieren konnte, was gerade passiert ist, höre ich seine Stimme. „Hey, du bist wohl aufs Maul gefallen. Hast du nie sitzen gelernt?“, spottet er über mich. „Tja, hättest du doch ein normales Gesicht, du siehst aus wie eine Kröte.“, lacht er weiter. Dieser Tom macht sich immer über mich lustig! Bestimmt sind seine Freunde auch da. Alle Jungs lachen. Ich versuchte mich aufzurichten und mein Gesicht von dem Asphalt hochzuheben. Es brennt, ich fühle, wie Blut aus meiner Nase kommt. Mir wird übel und der Schmerz breitet sich auf meinem Gesicht aus. Gerade als ich auf den Knien stehe, spüre ich wie ein Fuß mich wieder auf den Boden drückt. Tränen laufen über mein Gesicht. Wieder knallt mein Gesicht mit voller Wucht gegen den kalten Asphalt. Ich schreie: „Au, Hört auf!“ „Ha, so ein Schwächling, seht sie an, sie ist unfähig zum Aufstehen.“ Alle lachen. Ein anderer Junge sagt: „Kommt, lass mal ein Foto machen. Hässlichkeit liegt auf dem Boden. So können wir es dann posten, natürlich anonym.“ Alle lachen. Ich bin mir sicher, dass einer von mir ein Foto macht. Dann gehen sie weg. Wie bin ich nur so dumm gewesen, allein hinten im Park zu lesen. Ich wollte doch nur Ruhe. Naja, ich konnte ja nicht wissen, dass ich von Tom verfolgt werde. Ich richte mich auf, wische mir den Dreck von der Hose ab, putze mir die Nase am Ärmel ab, nehme mein kaputtes Buch auf und gehe nach Hause. Zu Hause angekommen, schließe ich die Türe auf. Niemand ist da, so wie immer. Ich bin es leid allein zu sein. Zwar ist meine Mutter alleinerziehend, aber… Naja, sie hatte andere Probleme.
Nebel (von Bianca)
Entlang der Baumallee geht eine junge Frau, ich blicke zu ihr und sie schaut verwundert zu mir auf und bleibt stehen. Sie fragt, ob wir uns kennen würden. Natürlich nicht-aber trotzdem kommt sie mir so bekannt vor, doch in dem Moment als ich zu sprechen begann, bemerkte ich etwas. Für ein Moment war ich sprachlos und wusste nicht, wohin mit mir und was das sollte. Ich bin so ein Idiot, was soll das … Nichts kannst du, wirklich nichts. Statt abweisend die Konversation zu beenden und weiterzugehen, fragt sie mich, wie ich das Wetter fände. Ich weiß nicht … Ähm-Sie fährt fort, setzt sich zu mir auf die Bank und fängt an, über ihre Leidenschaft zu erzählen, das Reisen.
Wir unterhalten uns noch lange über so banale Dinge, doch irgendwie fühlt es sich vertraut an. Aber wieso redet sie überhaupt mit mir? Hat sie nichts Besseres zu tun? Sie sieht aus, als würde sie nicht hier hingehören … Diese Stille, nein das passt nicht zu ihr. Im Gegenteil … Sie sieht aus, als wäre sie sehr beschäftigt und erfolgreich in ihrem Leben, ich schätze sie arbeitet als Managerin. Ja, das könnte passen.
Und schon wieder ertappe ich mich selbst über Menschen zu urteilen, ich beschließe zu gehen. Noch Tage danach denke ich über dieses Gespräch nach, doch irgendwas ist seither anders. Ich erinnere mich noch genau an einen Satz, den sie zu mir sagte. Obwohl es ganz still und ruhig war, meinte sie, es sei so laut. Schon komisch, oder? Aber gut, manchmal sagen Menschen halt Dinge, die keinen Sinn ergeben, ist das nicht so? Doch wenn ich drüber nachdenke, macht sich noch heute so ein Gefühl in mir breit …
Bereits mit den Gedanken woanders, falle ich todmüde ins Bett und schlafe ein. Auf einmal wache ich auf, ich höre Mama rufen: „Schatz, Frühstück ist fertig! Wo bleibst du denn?“ Verwundert, aber rasch richte ich mich auf und gehe ins Esszimmer. Aber irgendwas ist komisch. Ich verschlinge hastig mein Essen und laufe los zur Schule, auf einmal sehe ich tief hinter den Nebel, ein kleines Kind. Ich möchte hingehen, doch plötzlich bin ich wie erstarrt. Das Kind ruft laut:„Nein!!! Nicht!!!“.
Ich gehe weiter, doch je weiter ich gehe, desto mehr komme ich mir vor, als würde ich auf der Stelle laufen. Gefangen in der Blase des Alltagstrotts. Ich höre das Kind ein weiteres Mal rufen … Es erinnert mich an mich, plötzlich höre ich ein Quietschen, ich versuche das Kind zu finden, doch keine Spur.
Was war das? …
Meine Schuld? (von Hasan)
Ich ging die Treppe runter und aß Frühstück mit meiner Mutter. Ich war genervt, weil es wieder Montag war. Für mich der schlimmste Tag, da es der erste Tag nach dem Wochenende ist. Nachdem ich mit meinem Frühstück fertig war, lief ich zur Schule. Es war dasselbe wie immer, sie hatten schon wieder meine Sachen versteckt. Ich bin es allmählich leid und frage mich, warum sie mich in den Pausen schlagen und meine Sachen verstecken. Sie mobben mich bei jeder Gelegenheit und das einzige was sie danach sagen ist: „Heul doch bei deinen Leuten.” Ich wusste nicht was er mit „deinen Leuten” meinte, da ich mein Leben lang schon hier lebe und auch hier geboren wurde. Wieder mal geschlagen, wischte ich mir das Blut auf dem Nachhauseweg aus dem Gesicht, verdeckte mir die Wunden mit meinem Pulli. Als ich dann zuhause ankam und meine Mutter mich fragte, wie die Schule war, sagte ich mal wieder, dass es gut war und ich Spaß hatte, da ich nicht wollte, dass sie sich Sorgen um mich macht. Ich ging in mein Zimmer und versuchte zu schlafen, während ich genau wusste, dass es morgen und an jedem anderen Tag das gleiche ist.
Ohne Titel (von Aaron Elia)
Dunkelheit, es ist still. Ein Mann geht auf einem langen Weg durch den Wald.
Er ist groß und hat ein Gewehr dabei.
Der Mann sucht was, aber er findet es nicht. Plötzlich ein Schuss. Der Mann erschreckt, wirft sich auf den Boden.
„Was war das?“, schrie er und richtet sich.
„Ein Jäger?“ hallt es aus der Dunkelheit. Ein in weiß gekleideter Mann kam aus dem Wald und sprach: „Fürchte dich nicht.“
„Wer bist du?“, fragte der Mann und stand auf. Der in weiß Gekleidete antwortete: „Dein Gewissen.“
Da erschrak der Mann, denn nun wusste er, was er getan hat.